Tafel  8

Sie waren unsere Nachbarn

Die Juden in Schweich wohnten und lebten mit ihren christlichen Mitbürgern in einem relativ unkomplizierten Mit- und Nebeneinander. Man half sich gegenseitig, traf sich in den örtlichen Vereinen, kaufte bei Juden und Nichtjuden. Man respektierte sich. Es gab jedoch auch glaubensbedingte Vorurteile, und es kam zu Konflikten, die vor allem durch Handel und Kreditgeschäfte verursacht wurden.Das selbstverständliche Miteinander endete mit der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten; es kam zu Übergriffen, die ihren Höhepunkt in der Reichspogromnacht am 9./10. November 1938 fanden. Mit der Deportation der letzten Juden aus Schweich hatte die einst blühende jüdische Gemeinde aufgehört zu bestehen. Über die Hälfte der 1933 noch hier lebenden jüdischen Mitbürger sind in Konzentrationslagern ermordet worden: 32 wurden als tot registriert, 20 vermisst, zwei wählten den Freitod. 37 konnten ins Ausland entkommen.
Die meisten, die noch ins Ausland entkommen konnten, verkauften vorher ihre Häuser, in ihrer Zwangslage meist unter Wert. Ab 1939 wurden die noch in jüdischem Besitz befindlichen Häuser und Geschäfte enteignet und an Interessenten verkauft.
Ortsplan von Schweich mit der Lage der jüdischen Häuser von Georg Wagner, Schweich.
Ortsplan von Schweich mit der Lage der jüdischen Häuser von Georg Wagner, Schweich.
Aron Haas, Reitergässchen
Aron Haas, Reitergässchen
Aron Haas, Reitergässchen 5: Aron Haas, geb. am 19.7.1890 in Hetzerath, Hausierer für Textilien, seine Ehefrau Theresia Kahn, geb. am 2.8.1884 in Schweich, Adoptivsohn Adolf Wolf. Im Hause wohnten außerdem Mathilde und Johanna Kahn, Schwestern von Frau Haas, und die fast blinde Delfine Frenckel, geb. 1859 in Brotdorf bei Merzig. Gemäß Augenzeugenberichten wurde das Haus, das Aron Haas bereits verkauft hatte, in der Reichspogromnacht verwüstet. Ein Nazi-Schlägertrupp, mit Äxten, Knüppeln und Wagenrungen bewaffnet, drang in die Wohnung ein, zerschlug Fensterscheiben und Mobiliar und „drangsalierte“ die Bewohner. Der 79-jährigen Delfine Frenkel, die auf dem Aborthäuschen saß, warf man das Häuschen um, beschimpfte sie und „besudelte“ sie mit Kot. Delfine Frenckel migrierte 1938 nach Heerlen/Niederlande, Mathilde und Johanna Kahn wurden nach dem Osten deportiert, Aron Haas und seine Frau Theresia konnten später nach Palästina auswandern.
Julius Isay, Oberstift 22
Julius Isay, Oberstift 22
Julius Isay, Oberstift 22: Julius Isay, Viehhändler, geb. am 27.8.1896 in Schweich, seine Frau Martha Katz, genannt Mina, geb. am 27.6.1904 in Göttingen, ihre Kinder, in Schweich geboren: Gerdebert (1930), Fritz, (1932), Raphael (1937). Im Haus wohnte auch der Hausbursche Eugen Braun, geb. 1912 in Weinsheim. In der Reichspogromnacht drangen Nazis, von einer Parteiversammlung kommend, mit dem Ruf „Juden raus!“ in das Haus ein, zerschlugen die Fensterscheiben, schlitzten das Bettzeug auf, warfen den Hausrat auf die Straße und kippten Körbe mit Wäsche und Geschirr in den nahe gelegenen Bach. Der fast blinde Julius Isay soll nach dem Überfall des Nazi-Trupps geschockt und jammernd auf der Straße zwischen den Trümmern umhergegangen sein und nach noch brauchbarem Hausrat gesucht haben. Julius Isay, seine Frau und seine drei Kinder sind bei Minsk verschollen, Eugen Braun in Polen; sie sind wohl alle in einem KZ ermordet worden.

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