Judentum und Christentum – Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Material: Gemeinsame Wurzeln zweier Religionen — ein fiktives Gespräch

Anne begibt sich auf Spurensuche nach den Wurzeln des christlichen und jüdischen Glaubens. Ihr neuer Mitschüler Jakob scheint genau der richtige Ansprechpartner zu sein.

Anne: Du, Jakob, du hast mir neulich von deiner Religion einiges erzählt. Als ich zu Hause noch einmal darüber nachgedacht habe, kam mir in den Sinn, dass das Judentum und das Christentum ja viele Gemeinsamkeiten haben.

Jakob: Meinst du, Anne? Also jetzt, wo du es erwähnst, fallen mir auch einige Beispiele dazu ein. Wir gehen zum Gottesdienst in eine Synagoge. So nennen wir unser Gotteshaus. In der Synagoge hören wir die Worte Gottes, die ein Rabbiner oder Vorleser aus der Tora vorliest,

Anne: Das ist ja fast so wie bei uns!

Jakob: Du hast Recht. Vor allem die Geschichten von Jakob und Isaak, König Salomon und David oder die Geschichte von Jona im Bauch des Wals fand ich immer sehr interessant.

Anne: Was, die gibt es bei euch auch?

Jakob: Natürlich. Diese Geschichten stehen in unserer Tora.

Anne: Genau die gleichen Geschichten kennen wir auch aus dem Alten Testament.

Jakob: Bei euch ist der Sonntag der eigentliche Feiertag der Woche. Siehst du, bei uns ist es der Schabbat, also der Samstag. Allerdings gehen beide Tage als 7. Tag der Woche auf den 7. Tag der Schöpfung zurück. An diesem Tag vergönnte sich Gott etwas Ruhe von seiner Schöpfung.

Anne: Das ist mir noch nie so bewusst geworden. Aber wie ist es mit Weihnachten oder Ostern? Feiert ihr diese Feste auch?

Jakob: Nein, Anne, diese Feste feiern wir im Judentum nicht. Wir feiern aber mindestens genauso viel und häufig wie ihr und oft sind unsere und eure Feiertage fast zur gleichen Zeit. Allerdings fallen unsere Feste nach einem anderen Kalender. Die meisten Ereignisse, die wir feiern, liegen im Übrigen schon sehr lange zurück

Anne: Also wenn es im Judentum so viele Dinge gibt, die wir auch im Christentum haben, dann muss sich das Judentum also irgendwie aus dem Christentum entwickelt haben.

Jakob: Nein, es ist genau anders herum! Beide Religionen haben dieselben Wurzeln. Aber das Judentum ist schon viel älter als das Christentum. Das Christentum hat sich ja erst vor etwa 2000 Jahren entwickelt. Damals gab es allerdings schon das Judentum mit allen Aspekten, wie wir es heute noch kennen. Schon damals feierten wir die gleichen Feste im Judentum, kannten die gleichen Speisevorschriften, feierten unsere Gottesdienste in der Synagoge. Das Judentum ist sozusagen die ältere Schwester des Christentums. Unsere Wurzeln liegen etwa 1200-850 Jahre vor dem Jahr 0, als Jesus zur Welt kam. Im Gegensatz zu den Christen spielt Jesus aus Nazareth für uns allerdings kaum eine größere Bedeutung. Manche Geschichtsbücher kennen ihn vor allem als einen beliebten Rabbiner, der viele Anhänger um sich scharte.

Anne: Also trennten sich die Wege, als Jesus und seine Anhänger auftauchten?

Jakob: Das könnte man sicher so sehen. Ab diesem Zeitpunkt entwickelten sich beide Richtungen voneinander weg, so dass bereits wenig später nach Jesu Tod am Kreuz wirklich zwei verschiedene Religionen existierten. Aber wie du siehst, haben beide Religionen trotz vieler Unterschiede immer noch so viele Gemeinsamkeiten. Und das nach immerhin fast 2000 Jahren.

Anne: Das ist ja echt spannend. Von dieser Seite habe ich das noch nicht so gesehen.

Jakob: Das ist leider häufig so, Die Menschen sehen immer nur die Dinge, die sie voneinander trennen und nicht die Aspekte, die sie miteinander verbinden. Das ist bei anderen Religionen auch so!

Anne: Da hast du absolut Recht. Das ist wirklich sehr schade.

Aufgaben:

  • Wie empfindest du die dargebotene Gesprächssituation? Freundlich, eher aggressiv, unangenehm belehrend oder verständnisvoll von beiden Seiten? Begründe anhand von Beispielen aus dem Dialog.
  • Berichte in einem Vortrag über die Entstehung zweier Weltreligionen.
  • Lasst Mitschüler über ihren Glauben berichten.
  • Welches Ereignis führte zur Diaspora? Recherchiere mit Hilfe des Internets nach Ursachen, Hintergründen und Folgen.

Quelle: Christof Pies (u. a.): 2011: Jüdisches Leben auf dem Lande. Förderkreis Synagoge Laufersweiler.