Jüdisches Leben in Schweich

Offener Antisemitismus

Antisemitisches Spottgedicht

Ohne Datum; vermutlich 1938
Regest: Antisemitisches Spottgedicht anlässlich der Beerdigung des Juden Raphael Israel, gestorben am 31.12.1937. Hierin werden zudem Schweicherinnen, die dem Begräbnis beiwohnten, denunziert, verächtlich gemacht und bedroht. Überlieferung: Georg Wagner-Archiv, 4.7


Einst trug man in Schweicher Landen,
einer "kauschern" Judenbanden
Rafael zum Friedhof hin.
Diesmal mußte man ihn tragen,
denn es fehlte an dem Wagen,
weil nicht - wie in früherer Zeit -
die Gemeinde war bereit
diesem stinkenden Lakaien
ihren Wagen zu verleihen.
Hinterm Sarg, einer Kist von Brettern,
watschelt die Modistin Kettern.
Den Rafael, den Rafael, den konnt' sie schlecht vergessen,
weil er so lieb, so nett des öftern ist gewesen.

Außer dieser einen Magd,hatten es noch zwei gewagt
dem Begräbnis beizuwohnen;
und es wird sich hier wohl lohnen,
ihre Namen auch zu nennen,
da wir sie ja beide kennen:
Frau Tonner und Frau Lehnertz, beide waren auch dabei
Bei dem "kauscheren" Geschrei!

Schweicher Bürger, laßt Euch sagen,
sollten sie's noch einmal wagen,
dann an euch die dringende Bitte:
Raus mit ihnen, raus aus unserer Mitte!

Transkription: Barbara Dohm


Offenes antisemitisches Verhalten ist für die Großregion um Schweich nachweisbar. Dies zeigte sich beispielsweise in Schmährufen vor allem gegenüber orthodox lebenden Juden und gipfelte 1909 in der Schändung des Schweicher jüdischen Friedhofs. In der NS-Zeit kam es neben der staatlich gelenkten Ausgrenzung der Juden aus Wirtschaft und Gesellschaft auch zu vorauseilendem Gehorsam. So wurden im April 1936 Schilder antisemitischen Inhalts angebracht und Geschäfte boykottiert.