Gedenk-Aktion in Luxembourg 2016

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

anbei sende ich Ihnen einige Informationen zu einer Gedenk-Aktion, die in Luxemburg bereits erfolgreich durchgeführt wurde. Auf Anregung der deutsch-luxemburgischen Arbeitsgemeinschaft „Grenzenlos Gedenken“ findet sie in diesem Jahr (2019) grenzüberschreitend statt. Diese AG ist auch offizieller Veranstalter der Aktion. Ziel der Aktion ist es, die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus wach zu halten und die Bereitschaft, Verantwortung für die Gestaltung der Gesellschaft zu übernehmen, zu stärken.

Die Aktion findet am 16. Oktober statt, dem Tag der ersten Deportation zahlreicher jüdischer Mitbürger ins Ghetto von Lodz (damals Litzmannstadt).

Der Sonderzug fuhr damals von Luxemburg über Trier und Koblenz bis nach Lodz. Auch in Schweich machte er Halt, um Menschen aus Schweich und verschiedenen Dörfern der Region abzuholen. Für sie war es eine Fahrt in den Tod. Weniger als 4% der nach Lodz Deportierten überlebte die Vernichtungsmaschinerie. Fast alle wurden, nachdem ihre noch verbliebene Kraft in der Textilherstellung ausgenutzt worden war, in der nahegelegenen Tötungsstätte Chelmno (damals Kulmhof) ermordet. Die Idee ist, in verschiedenen Orten der ehemaligen Mitbürger zu gedenken, die damals deportiert wurden.

Der beiliegende Artikel aus dem Luxemburger Tageblatt gibt einen Eindruck davon, wie diese Gedenk-Aktion im Jahr 2016 in Luxemburg gestaltet wurde. Zentrales Symbol waren dabei die Koffer, jeder Koffer repräsentierte eine deportierte Person.

Natürlich kann eine solche Veranstaltung für Schweich nicht in diesem Format übernommen werden. Denkbar ist eine kleine Aktion, die eben Aktions-Charakter hat. Die Koffer sollte auch diesmal das Symbol sein, das alle lokalen Aktionen verbindet. Koffer werden in ausreichender Anzahl von der deutsch-luxemburgischen Arbeitsgemeinschaft „Grenzenlos Gedenken“ gestellt. Sie müssen nur mit den Namen der Menschen aus der VG Schweich, die am 16.10.1941 mit dem Zug nach Lodz deportiert wurden, beschriftet werden.

Mit herzlichen Grüßen                                               

Maria Wagner-Feller   [Kontakt: maria@wagner-feller.de ;  Tel. 06502-20523 ]


Ideen zur Vorbereitung der Gedenk-Aktion 16.10.2019 im Unterricht

Recherche mithilfe der Website https://juedisches-leben-vgschweich.de/

Arbeitsauftrag 1.1: Suche die Namen aller Personen aus den aufgeführten Orten der VG Schweich, die am 16.10.1941 „abgeholt“ wurden.

https://juedisches-leben-vgschweich.de/geschichte/familien/opfer-des-nationalsozialismus/  

Zur schnellen Überprüfung der Schüler-Ergebnisse hier meine Ergebnisse zum Vergleich:

Schweich:    Irma Mendel (52 J.) und Oskar Mendel (62 J.)

Fell:              Samuel Meyer, Sophie Meyer, Martha Meyer

Klüsserath: Bernhard Kahn (43 J); Rosa Kahn (39 J); Lucia Karolina Kahn (12 J)
                     [Bem: diese Familie wohnte ursprünglich in Schweich]

Mehring:     Emilia Ermann (64 J.)

Leiwen:       Hermann Levy (71 J.); Eva Levy (64 J.) ; Leopold Levy (63 J.) ; Rosa Ermann (60 J.) ;
                     Klara Samuel (41 J.); Berta Mendel (47 J.) Adele Mendel (21 J.); Gertrud Mendel (19 J.);
                     Karl Schloss (57 J.); Rosalia Schloss (53 J.) ]   [Bem: die beiden letzteren sind mit dem
                     gleichen Transport gefahren jedoch weiter nach Theresienstadt verchleppt worden.]

Bei genauerem Hinsehen findet man noch weitere Personen aus der VG Schweich, die zunächst in einen anderen Ort zogen, schließlich dennoch nach Lodz deportiert worden sind – allerdings nicht mit demselben Transport:

[ Mathilde Israel; Hilde Kahn; Frieda Kahn; Vera Isay; Else Isay; Kurt Isay; Adolf Isay ]

Den SuS wird auffallen, dass viele Juden schon früh aus der VG Schweich in größere Städte gezogen sind, auf der Suche nach einer sichereren Bleibe – und wie unmöglich es dennoch war, sich dem Zugriff der SS zu entziehen.

Die SuS könnten z.B. auch jeweils für einige Personen diese einzelnen Stationen des Flucht- und schließlich des Deportationswegs auf einer Europa-Karte eintragen und vergleichen. →Alle Wege führen in die Vernichtungslager.

Anregung: Welche Gedanken und Gefühle verbinden wir mit dem Satz: „Ich werde abgeholt“.

→ mögl. Gespräch zur Wirkung verharmlosender Begriffe – auch heute.

AA 1.2: Beschriften der Koffer: Namen, Geburtsdatum (oder: Alter zum Zeitpunkt der Deportation, dieses ist in der obigen Auflistung bereits dazu geschrieben)

Arbeitsauftrag 2: Was erwartete die deportierten Menschen?

Lies dazu die Erinnerungen der Zeitzeugen auf:

https://juedisches-leben-vgschweich.de/geschichte/familien/einzelne-schicksale/

Wähle aus dem Text einzelne kurze Passagen aus, die sich zum öffentlichen Vorlesen bei der geplanten Aktion eignen.

Auf der Website gibt es nur zwei Berichte: einen kürzeren und einen sehr langen in Briefform, den man evtl. auch in drei Teile aufteilen und arbeitsteilig bearbeiten kann.

(Martine Feller)

(Martine Feller)

Aus dem Luxemburger Tageblatt vom 17.10.2016

Am 16. Oktober 1941 wurden 323 Menschen vom Hauptbahnhof mit dem Sondertransport Nr. Da 3 ins Ghetto nach Litzmannstadt (Polen) gebracht. Nur 12 von ihnen hatten das Glück, zu überleben. Dies war die erste von insgesamt sieben Deportationen jüdischer Menschen.

An der Gedenkfeier nahmen auch Großherzog Henri, Staatsminister Xavier Bettel, der Präsident der Abgeordnetenkammer Mars di Bartolomeo, Claude Marx, Präsident des “Consistoire israélite” in Luxemburg, und Bürgermeisterin Lydie Polfer teil.

323 Koffer

Zu Beginn der Gedenkfeier stellten die Anwesenden, darunter Sekundarschüler, 323 Koffer am Hauptbahnhof ab, 323 Koffer als Symbol für die 323 deportierte Menschen. Dabei wurden die Namen und Alter der Deportierten erwähnt.

Die von Nora Koenig und Pitt Simon vorgetragenen Berichte von Zeitzeugen, verdeutlichten das unbeschreibliche Leid dieser Menschen – Menschen die in Luxemburg lebten, hier zur Schule gingen, arbeiteten und Freunde hatten. Pitt Simon schloss seinen Bericht mit den Worten: „Il faut neuf mois pour créer un être humain, et à peine une seconde pour le détruire, à peine une seconde pour tuer son sourire. Et tout ce qu’il fut a peine une seconde pour priver le monde de ce que, peut-être, il lui aurait donné.“

Staatsminister Xavier Bettel schloss sich seinen Vorrednern an. Es sei kaum möglich, zu wissen, wie die Geschichte dieser Menschen in Polen weiterging. Es sei aber wichtig, sich an die Geschehnisse des zweiten Weltkriegs zu erinnern. “Europa ist ein Friedensprojekt, das aus dem Blut des Zweiten Weltkrieges entstanden ist. Jeder Mensch muss Verantwortung tragen, um den Frieden zu erhalten, daher sei es wichtig, aus der Geschichte zu lernen”, sprach Xavier Bettel. Des Weiteren erklärte er, dass 2018 ein Monument im Regierungsviertel – an jener Stelle, wo 1840 die erste Synagoge des Landes stand – gebaut werden soll, um an die Opfer der Schoah zu erinnern.

Aufarbeiten der Geschichte

Mars di Bartolomeo erklärte in seiner Ansprache, dass man die Vergangenheit nicht mehr ändern könne. Es sei jedoch wichtig, dass die Erinnerung an das Geschehene bestehen bleibt. Ereignisse wie im Zweiten Weltkrieg dürften sich nicht wiederholen, daher sei auch das Aufarbeiten der Geschichte von enormer Bedeutung, zumal immer weniger Zeitzeugen unter uns weilen.

Es sei auch wichtig, sich gemeinsam gegen die Verbrechen an den Menschen in Krisenregionen zu wehren und die Ermordung unschuldiger Zivilisten zu stoppen, ergänzte Di Bartolomeo. In diesem Zusammenhang dankte er jenen Schülern, die rund 3000 Unterschriften gesammelt hatten, um die Angriffe auf Zivilisten in Syrien zu stoppen.

Die Nazi-Vernichtungsmaschinerie

Auch Claude Marx schloss sich den Worten von Xavier Bettel und Mars di Bartolomeo an: Das, was damals passiert ist, darf sich nicht mehr wiederholen. Er erinnerte die Jugendlichen daran – am Beispiel der Brüder Bernard, Robert und Eric Hermann, die deportiert wurden – wie schnell das Leben von einer Sekunde zur anderen zur Hölle wird. Er rief den Jugendlichen das alltägliche Leben der Juden unter der Naziherrschaft in Erinnerung, ein Leben, das geprägt war von Verboten, Ängsten, Isolation, Erniedrigung bis hin zur Deportation, Hunger und Tod in der Nazi-Vernichtungsmaschinerie.

Claude Marx appellierte an die Anwesenden: „Un Iech all, Jonker a manner Jonker, déi d’Gléck hunn, an engem fräien an demokratesche Land ze liewen, kéint de Message, deen ech haut weiderginn, déi Warnung sinn, déi ech säit Joren ëmmer erëm widderhuelen an déi ech ëmmer eräm wäert widderhuelen, esoulaang meng Stëmm wäit genuch dréit: “Naïscht ass definitiv geséchert, eis Demokratie si fragil a mir si kengesfalls virun enger Widderhuelung vum Horror geschützt.

Für den Fall, dass jemand Letzebuergesch nicht versteht, hier die Übersetzung des bemerkenswerten Appells von Claude Marx:

Und euch allen, Jungen und weniger Jungen, die das Glück haben, in einem freien und demokratischen Land zu leben, wisst die Botschaft, die ich heute weitergebe, die Warnung , die ich seit Jahren immer wieder wiederhole und die ich immer wieder wiederholen werde, solange meine Stimme weit genug trägt: „Nichts ist definitiv gesichert, unsere Demokratie ist fragil und wir sind keinesfalls vor einer Wiederholung des Horrors geschützt“.