Gerade der Militärdienst bot Gelegenheit zu weitgehender Selbstinklusion. Erstmals wurde die allgemeine Wehrpflicht im damaligen Saardepartement zur napoleonischen Zeit ausgerufen, als das linksrheinische Gebiet 1794-1814 zu Frankreich gehörte. [9] Unmittelbar darauf waren auch jüdische Soldaten in den napoleonischen Armeen zu verzeichnen. Als erste Juden in unserer Region machten nachgewiesenermaßen Lion Ackermann aus Thalfang und Simon Scheuer aus Dhronecken den Großen Feldzug Napoleons nach Russland im Jahre 1812 mit und kehrten als zwei von nur wenigen lebend zurück. Die damaligen Gegner Frankreichs reagierten auf die durchaus zu verzeichnenden Leistungen jüdischer Soldaten und für Preußen wurde die Militärdienstpflicht ab 1845 auch für Juden angeordnet. Damit waren die jüdischen Soldaten und Unteroffiziere – auch in anderen deutschen Heeren – zwar nominell gleichgestellt, nicht zuletzt was die weitere Versorgung nach ihrem Ausscheiden aus dem aktiven Wehrdienst anbelangte. Verwehrt wurde ihnen jedoch – anders als in Bayern, der Pfalz und v.a. in Österreich – von wenigen spektakulären Ausnahmefällen abgesehen die Beförderung zum Offizier. Lediglich in Kriegszeiten, etwa im deutsch-französischen Krieg 1870/71, schafften dies insgesamt über einhundert Juden, 373 wurden darüber hinaus mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet, allerdings fielen auch 473 oder wurden schwer verwundet. Dass Juden aus unserer Region auch schon an diesem Krieg teilnahmen, ergibt sich aus Ihrer Erwähnung an den diversen Gefallenendenkmälern.
Im Ersten Weltkrieg dienten dann fast 100 000 deutsche Juden im Heer oder in der Marine, davon ca. 77 000 direkt an der Front. Etliche meldeten sich schon frühzeitig freiwillig. Jüdische Repräsentanten und Rabbiner, von denen sich ebenfalls bereits 81 im August 1914 freiwillig gemeldet haben sollen, unterstützen ebenso wie ihre christlichen Amtsbrüder den in ihren Augen gerechten Kampf. Offiziell sollte für jede Armee ein Feldrabbiner, später gegebenenfalls mit verschiedenen Hilfsrabbinern übernommen werden. Unter ersteren befanden sich auch der spätere Trierer Rabbiner Adolf Altmann sowie Heinrich Baßfreund, der Sohn des damals amtierenden Rabbiners Jakob Baßfreund.
Insgesamt wurden etwa 30 000 Juden während des Weltkrieges mit Orden dekoriert, so auch nachweislich Ernst Salm [10] aus Issel, und 20 000 befördert – 3 000 davon jetzt endlich auch in den Offiziersrang. Freilich verloren auch 12 000 jüdische Soldaten ihr Leben im Krieg, mindestens 17 aus Trier, 7 aus Wittlich, jeweils 4 aus Thalfang (mit Talling) und Niederemmel, 3 aus Osann, Aach und Zell, zwei aus Schweich, [11] Bitburg und Brauneberg, einer aus Bausendorf, Monzel, Rhaunen, Neumagen, Irrel, Traben-Trarbach…
Aber auch nach dem Weltkrieg nahm – trotz des gemeinsamen Fronterlebnisses – paradoxerweise der Antisemitismus nicht ab, sondern zu. Dagegen versuchte v.a. der „Reichsbund jüdischer Frontsoldaten“ anzugehen, etwa indem er die Leistungen der jüdischen Soldaten im Weltkrieg publizistisch verteidigte, und zu diesem Zweck ebenfalls bereits 1935 Feldpostbriefe veröffentlichte. In Trier, vermutlich schon kurz nach Kriegsende, und in Wittlich, spätestens 1925, existierten nachweislich Ortsgruppen des Reichsbundes. Auf die Trierer Ortsgruppe ging auch die Initiative zu der Gedenktafel für die 17 gefallenen Trierer Weltkriegssoldaten in der alten Synagoge zurück, die sich heute im Eingangsbereich der neuen Synagoge in der Kaiserstraße 25 befindet. An der Einweihung der Tafel nahm im Jahre 1921 daneben auch eine Abordnung des allgemeinen religionsübergreifenden „Kriegervereins“ teil; darin waren jüdische Veteranen in Schweich und Umgebung ebenfalls Mitglieder, teilweise sogar im Vorstand. In Schweich nahm die jüdische Gemeinde auch nachweislich an der Einweihung des allgemeinen Kriegerdenkmales teil.
Doch all diese Bemühungen endeten spätestens mit dem Gesetz zur Wiedereinführung der Wehrpflicht im März 1935, in dem der Wehrdienst von Juden nicht mehr vorgesehen war. Kurz zuvor hatte Reichspräsident Hindenburg noch auf Ausnahmeregelungen für die jüdischen Weltkriegsteilnehmer gedrungen und das sogenannte „Ehrenkreuz“ für diese gestiftet. Viele Juden, auch aus unserer Region erhielten diese Auszeichnung daraufhin und hofften, damit ihr Schicksal abmildern zu können. Zwar wurden die im Novemberpogrom verhafteten Veteranen am ehesten wieder entlassen und wiederum erst später als die anderen deutschen Juden bevorzugt nach Theresienstadt deportiert. Das Ergebnis blieb jedoch das gleiche; die meisten von Ihnen wurden ebendort oder später dann in Auschwitz bzw. anderen Konzentrations- und Vernichtungslagern ermordet.